Der pflegeleichte Familienhund
Ein modernes Märchen mit Biss
Es war einmal ein Hund, der liebte Kinder, war stubenrein ab Geburt, bellte nur bei Vollmond und konnte sich selbst beschäftigen, während die Familie auf Instagram ihre Harmonie zelebrierte.
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Man nannte ihn den „pflegeleichten Familienhund“¹.
Leider existiert er nicht. Aber das hält die Werbebroschüren, Hundevermittlungen und naive Wunschvorstellungen nicht davon ab, ihn täglich neu zu erfinden.
Die Idee vom unkomplizierten Hund ist wie die vom selbstreinigenden Badezimmer: verlockend, aber biologisch nicht vorgesehen. Hunde sind Lebewesen, keine Einrichtungsgegenstände mit Kuschelfunktion.
Sie haben Bedürfnisse, Launen, Macken – und manchmal auch einen ausgeprägten Sinn für Chaos.
Wer glaubt, ein Hund sei ein nettes Add-on zum Familienleben, hat vermutlich auch schon versucht, ein Kleinkind mit einem IKEA-Bausatz zu beschäftigen.
„Kinderlieb“ – was soll das heißen?
Dass der Hund sich freiwillig von klebrigen Fingern am Ohr ziehen lässt, während er auf einem Bobbycar thronend durch die Küche geschoben wird? Oder dass er bei jedem Schrei aus dem Kinderzimmer nicht in die Tischkante beißt?
Die Wahrheit ist: Kinder sind für viele Hunde ein akustisches und motorisches Minenfeld. Und Hunde sind keine pädagogischen Fachkräfte mit Geduld auf Abruf.
Auch „anfängergeeignet“ ist ein Begriff aus der Abteilung Realitätsverweigerung.
Anfänger in der Hundehaltung sind per Definition überfordert. Das ist keine Schande, sondern ein biologischer Zustand. Wer zum ersten Mal einen Hund hat, wird Fehler machen. Viele. Und der Hund wird sie ausbaden. Oder ausleben. Oder ausdiskutieren – mit Zähnen, Urin oder einem nächtlichen Konzert.
Die Industrie liebt diese Etiketten.
Sie verkaufen Hoffnung in Fellform.
Ein Hund, der alles mitmacht, nichts fordert und sich perfekt ins Leben einfügt – das ist der feuchte Traum der Konsumgesellschaft.
Aber Hunde sind keine Lifestyle-Produkte. Sie sind Beziehungstiere.
Und Beziehungen sind Arbeit.
Wer das nicht will, sollte sich ein Stofftier kaufen. Oder einen Kaktus.
Natürlich gibt es Hunde, die mit Kindern gut klarkommen. Und solche, die sich in Familien wohlfühlen. Aber das ist kein genetisches Versprechen, sondern das Ergebnis von Sozialisation, Training und – Achtung, jetzt wird’s unbequem – menschlicher Verantwortung.
Wer einen Hund in eine Familie holt, übernimmt eine Aufgabe. Keine Garantie.
Also, liebe Leserinnen und Leser:
Wenn Ihnen das nächste Mal jemand einen „pflegeleichten, kinderlieben Familienhund“ andrehen will, fragen Sie nach dem Rückgaberecht bei Realitätsverlust.
Und denken Sie daran: Ein Hund ist kein Märchenwesen. Er ist ein Spiegel.
Und manchmal zeigt er Dinge, die man lieber nicht sehen will.
Aber genau darin liegt die Chance.
Denn wer bereit ist, sich auf das Abenteuer Hund einzulassen – mit all seinen Ecken, Kanten und Fellflusen – der bekommt keine Perfektion.
Sondern Beziehung.
Und die ist zwar nicht pflegeleicht.
Aber verdammt wertvoll.
Herzlich, kritisch, hundeverliebt –
eure Petra Puderbach-Wiesmeth 🏹🐾☕ 🖤
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Fußnote:
¹ Das „Lassie-Phänomen“ beschreibt die romantisch überhöhte Vorstellung (anthropomorphe Verzerrung) vom Hund als moralischem, kinderlieben und problemlösenden Gefährten – geprägt durch Filmfiguren wie Lassie oder Kommissar Rex. Es führt dazu, dass Hunde nicht mehr als Tiere mit eigenen Bedürfnissen wahrgenommen werden, sondern als Projektionsflächen für menschliche Wünsche und Defizite.
Der Mythos vom „pflegeleichten Familienhund“ ist eine moderne Variante dieses Phänomens: Er verspricht Harmonie ohne Aufwand, Beziehung ohne Arbeit und Erziehung ohne Reibung.
Doch echte Beziehung beginnt dort, wo Projektion endet – und wo Mensch und Hund sich als Individuen begegnen dürfen.
Dieser Text ist bewusst satirisch und pointiert formuliert. Die Zuspitzung dient der kritischen Reflexion eines weit verbreiteten Missverständnisses – mit ehrlicher Haltung und viel Liebe zum Hund.
Bild mit KI generiert, Petra Puderbach-Wiesmeth
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