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Hundewissen einfach erklärt
16.12.2023 17:00

Rangfolge und Dominanz

Was bedeutet Rangordnung und Dominanz?

 Hunde streben nach einer Rangordnung und sind sog. *obligat soziale Rudeltiere, dies dient innerhalb eines Gruppenverbandes der „Aggressionsvermeidung“.

"Ein ranghohes Individuum beginnt keine unnötigen Konflikte oder andere, vermeidbare Auseinandersetzungen."

[In der Blog-Übersicht wird hier ein Weiterlesen-Link angezeigt]

Will der Mensch nun im Gruppenverband mit seinem Hund einen hohen Rang einnehmen, so kann er sich seine Rangstärke nicht durch Gewaltanwendung „erkämpfen“, sondern sollte sich als souveräner „Rudelführer“ beweisen, dem man vertrauen kann und der fähig ist, für die Gruppe (Meute) wichtige Dinge zu regeln.

"Anführer sind durch ihr Wissen, ihre Erfahrung, besondere Ruhe und Entscheidungskraft in der Lage, einen Gruppenverband koordiniert zum gemeinsamen Vorteil zu leiten."

Die Anführer-Rolle und Rangordnung müssen innerhalb einer Gruppe/Beziehung nicht immer deckungsgleich sein (Lamprecht & Kummer). Wenn ein Richtungs- oder Aktivitätswechsel stattfindet, wird der Zusammenhalt der Gruppe beansprucht - durch die unterschiedliche Handlungsbereitschaft der Gruppenmitglieder - bis jemand entscheidet was getan wird und in welche Richtung es los geht.

Anführer ist wahrscheinlich das Individuum, welches die höhere Toleranz für die sich vergrößernde Distanz zu den anderen Gruppenmitgliedern hat, während die restlichen Gruppenangehörigen nur eine bedingte Toleranz für eine sich vergrößernde Distanz zum Anführer haben.

"Kurz gesagt: Dem Anführer ist es egal, ob ihm der Rest hinterherläuft, dem Rest ist es aber nicht gleichgültig, wenn der Anführer sich von der Gruppe entfernt."

Beobachtungen in Italien an verwilderten Haushunden belegen dies. (Bonanni)

Befindet sich der Gruppenverband auf vertrautem Terrain bewegen sich meist die rangniedrigen und/oder *juvenilen Mitglieder voraus an der Spitze, während die Ranghohen im Zentrum des „Hofstaats“ hinterher trotten. Dies verändert sich auf unbekanntem Gebiet oder neuen und/oder evtl. gefährlichen Situationen sofort und die ranghohen Tiere übernehmen die Führung.

Wer hier nun als Mensch immer noch davon überzeugt ist, zuerst – vor seinem Hund - durch die Tür gehen zu müssen, weiß nun - an welche Position in der Gruppe er sich mit dieser „Übung“ wirklich stellt.

Dominanz ist keine genetisch oder phänotypisch festgelegte Eigenschaft eines Individuums, sondern lediglich Führungsstärke, durch welche es in der Lage ist, eine Gruppenaktivität in Art und Richtung zu steuern. (Lamprecht)

„Dominanz beschreibt ein asymmetrisches Beziehungsverhältnis zweier Individuen.“

Neuere Untersuchungen ergeben, dass Hunde in der Gruppenbeziehung mit Menschen in der Lage sind, sehr feine Signale der Körpersprache und besonders Blickkontakte zu verstehen und zu deuten. Sie nutzen besonders den Blickkontakt, um eine Beziehung zum Menschen aufzubauen und anzubahnen. (Hare, Tomasello, Miklòsi)

Umso fataler die, leider immer noch, gültige Praxis und falsche Aussage, dass der Hund einen nicht anschauen darf, weil er sonst an Dominanz gewinnen würde.

"Dominanz ist eine Beziehung, keine Eigenschaft."

Immer wieder hört man von Hundehaltern die Aussage, ihr Hund sei dominant. Die Frage ist: „Über wen?“ Kein Lebewesen ist per se dominant oder unterwürfig, zwar hat ein ranghohes Gruppenmitglied das Recht seine Interessen durchzusetzen, aber es hat nicht die Verpflichtung dies zu tun.

Selbst im Wolfsrudel dulden ranghohe Tiere ein gewisses Maß an „Widerspruch und Aufsässigkeit“ von rangniedrigen Wölfen. (Wensink) Es gibt im Wolfsrudel keinen bevorzugtes Recht für Ranghohe auf Nahrung und es gibt so etwas wie eine Besitzrespektierung für rangniedere Tiere. Mit diesem Wissen sollte man den Griff in die Futterschüssel und die Ansicht, der Hund müsse uns jederzeit sein Futter überlassen differenzierter sehen.

Dominanz zeichnet sich dadurch aus, das vom rangniedrigen etwas „überlassen“ wird, ohne das körperliche Gewalt vom ranghöheren angewendet werden muss. Auch der immer noch beliebte „Alphawurf“ signalisiert hier genau das Gegenteil von Führungsqualität oder Dominanz.

Dominanz etabliert sich nicht, weil das dominante Gruppenmitglied seinen Rang aggressiv einfordert, sondern weil der Rangniedere die Überlegenheit anerkennt. „Unterordnung ist die Bemühung des Unterlegenen, eine freundliche und harmonische Integration zu erlangen“. (Rudolf Schenkel)


Petra Puderbach-Wiesmeth, 2023

  

Erklärung:

*Ethologie - traditionell die „klassische“ vergleichende Verhaltensforschung, die sich ab den 1930er-Jahren als eigenständige Forschungsrichtung etablierte, aber auch ganz generell die Verhaltensbiologie.

*obligat sozial - Hunde bilden eine Gemeinschaft, die sich aus vielen Zweierbeziehungen zusammensetzt. Innerhalb einer Zweierbeziehung kommt es zur Ressourcenverteilung. Dann gibt es noch die sozial expansiven Hunde - dies sind Hunde, die in der Rangfolge nach oben drängen. 

*juvenil – Jungtier - adult - Erwachsenes Tier

 

Zum Weiterlesen:

Bonanni, R., Cafazzo, S., Valsecchi, P., & Natoli, E. (2010). Effect of affiliative and agonistic relationships on leadership behaviour in free-ranging dogs. Animal Behaviour, 79(5), 981-991.

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0003347210000783

Cafazzo, S., Bonanni, R., Valsecchi, P., & Natoli, E. (2014). Social Variables Affecting Mate Preferences, Copulation and Reproductive Outcome in a Pack of Free-Ranging Dogs.S PloS one, 9(6), e98594.

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0098594

Cafazzo, S., Valsecchi, P., Bonanni, R., & Natoli, E. (2010). Dominance in relation to age, sex, and competitive contexts in a group of free-ranging domestic dogs. Behavioral Ecology, 21(3), 443-455.

http://beheco.oxfordjournals.org/content/21/3/443.full.pdf+html

Brian Hare, Michelle Brown, Christina Williamson, Michael Tomasello (2002 Nov 22);298(5598):1634-6. doi: 10.1126/science.1072702. The domestication of social cognition in dogs Affiliations expand PMID: 12446914

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12446914/

Mech, L. D. (1999). Alpha status, dominance, and division of labor in wolf packs. Canadian Journal of Zoology, 77(8), 1196-1203.

http://www.peacefulpawsrescue.com/help/resources/mech99alphastatus.pdf

Mech, L. D. (2000). Leadership in wolf, Canis lupus, packs. Canadian Field-Naturalist, 114(2), 259-263.

http://www.wolf.org/wp-content/uploads/2013/08/247Leadership.pdf

Miklòsi, Ádám, Budapest, Publikationsliste

https://m2.mtmt.hu/gui2/?type=authors&mode=browse&sel=10009117

Schenkel, R. (1967). Submission: its features and function in the wolf and dog. American Zoologist, 7(2), 319-329.

http://people.tamu.edu/~j-packard/scienceinaction/pred_Schenkel1967.pdf


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